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FINANZGERICHT NÜRNBERG V. 25.05.1993 II 149/92 |
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EFG 1993, 765
Leitsätze 1. Eine nach endgültigem Abschluß des Rechtsbehelfsverfahrens ergangene Einspruchsentscheidung ist nicht nichtig. sondern nur anfechtbar.
2. Durch den Erlaß eines Abhilfebescheids gegenüber dem Einspruchsführer ist das Rechtsbehelfsverfahren endgültig abgeschlossen. Dies gilt auch gegenüber einem Dritten, der nicht hinreichend i.S. des § 174 Abs. 5 AO an der Beendigung des Einspruchsverfahrens beteiligt war. Nach Erlaß eines Abhilfebescheids können Mängel an der Beteiligung eines Dritten nach § 174 Abs. 5 AO am Einspruchsverfahren nicht durch Erlaß einer Einspruchsentscheidung geheilt werden.
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Tatbestand
Klägerin (Klin.) ist eine KG, die nach § 174 Abs. 4 und 5 AO zum Einspruchsverfahren einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) wegen USt 1980-1982 hinzugezogen worden ist. Das FA hat dem Einspruch der GdbR ohne entsprechenden Antrag bzw. Zustimmung der Hinzugezogenen abgeholfen. Die Hinzugezogene hat auch keinen Abdruck des gegenüber der GdbR erlassenen Abhilfehebescheids erhalten. Nach Erlaß des Abhilfebescheids erließ das FA gegenüber der Klin. nach § 174 Abs. 4 AO geänderte Steuerbescheide. Während des von der Klin. gegen die Änderungsbescheide erhobenen Kiageverfahrens, in dem die Aufhebung der Änderungsbescheide mangels ihrer wirksamen Beteiligung am Einspruchsverfahren der GdbR beantragt worden ist, hat das FA über den bereits durch Erlaß des Abhilfebescheids abgeschlossenen Einspruch der GdbR mit Einspruchsentscheidung entschieden und die Entscheidung der Klin. bekanntgegeben. Die Klin. begehrt die Nichtigkeit dieser Einspruchsentscheidung festzustellen, hilfsweise die Einspruchsentscheidung wegen des bereits endgültig abgeschlossenen Einspruchsverfahrens aufzuheben.
Gründe
Die Klage ist begründet.
1. Soweit die Klin. in Form der Feststellungsklage (§ 41 FGO) beantragt hat, die Nichtigkeit der Einspruchsentscheidung festzustellen, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 125 AO ist ein Verwaltungsakt (VA) nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Die Nichtigkeit eines VA wurde von der Rechtsprechung als Ausnahme von dem Grundsatz gesehen, daß ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Ein VA ist nicht schon allein deshalb nichtig, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder wenn die in Frage kommenden Rechtsvorschriften - auch formellen Rechts - unrichtig angewendet worden sind. Ausnahmsweise ist Nichtigkeit gegeben, wenn der VA die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maße verletzt, daß von niemandem erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen (BFH-Beschlüsse vom 1. 0ktober 1981 IV B 13/81, BFHE 134, 223, BStBI. II 1982, 133; vom 30. November 1987 VIII B 3/87, BFHE 151, 354, BStBl. II 1988, 183; vom 29. Juni 1988 V B 70/88, BFH/NV 1989, 613; Urteile vom 22. November 1988 III R 173/85, BFHE 155, 24, BStBl. II 1989, 220, vom 26. Juli 1989 X R 42/86, BFH/NV 1990, 345).
Dies trifft in vorliegendem Fall nicht zu. Auch wenn durch den Erlaß des Abhilfebescheids das Einspruchsverfahren der GdbR endgültig abgeschlossen war und es insoweit keiner Einspruchsentscheidung mehr bedurft hätte (§ 367 Abs, 2 Satz 3 i.V.m. § 172 Abs. 1 Nr 2 a AO), ist die trotzdem ergangene Einspmchsentscheidung allein wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Bestimmung des § 367 Abs. 2 Satz 3 AO nicht nichtig. Dabei ist auch zu bedenken, daß die Einspruchsentscheidung keine Wirkung gegenüber der Klin. entfalten konnte, da sie an dem Einspruchsverfahren der GdbR nicht hinreichend beteiligt war (vgl auch Urteil des Senats vom 25. Mai 1993 II 120/88, n. v.).
2. Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage (§ 40 Finanzgerichtsordnung -FGO-), mit der die Klägerin die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 02.07.1992 begehrt, hat aber Erfolg.
Durch den Erlaß des Abhilfebescheids gegenüber der GdbR als Einspruchsführerin wurde das Rechtsbehelfsverfahren endgültig abgeschlossen (§§ 172 Abs. 1 Nr.2 a, 367 Abs. 2 Satz 3 AO). Dies gilt auch gegenüber der Klin., obwohl diese nicht hinreichend an der Beendigung des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids beteiligt war. Wegen der Erledigung des Einspruchs durch Abhilfebescheid und der damit eingetretenen Erledigung der Hauptsache konnte das FA das Einspruchsverfahren nicht mehr fortsetzen. Der Erlaß einer Einspruchsentscheidung war daher ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 11. August 1971 VII 7/65, BFHE 103/30, BStBI. II 1972, 2).
Soweit das FA das Schweigen der Klin. als Hinzugezogene zum Einspruchsverfahren der GdbR in einen weiteren Rechtsbehelfsantrag umdeutet, kann dem nicht gefolgt werden. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 20. Mai 1992 IV R 176/90 (BFH/NV 1993, 94) klargestellt, daß der Hinzugezogene, der einem Abhilfebescheid nicht zugestimmt hat, am Verfahren über die Änderung eines Steuerbescheids nicht hinreichend beteiligt war (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO). Dem schließt sich der Senat an.
Dem Hilfsantrag war daher in vollem Umfang stattzugeben.
Anm.: Das unterlegene Finanzamt hat gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt, die der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 21.09.1994 V B 196/93 als unbegründet zurückgewiesen hat.
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(1113-1-4692)
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