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FINANZGERICHT NÜRNBERG V. 29.03.1985 III 134/82
 

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Erhöhung des Verlustabzugs im Streitjahr 1976 wegen nicht in voller Höhe geltend gemachter Abschreibung nach § 7 b Einkommensteuergesetz -EStG- aus den Veranlagungszeiträumen 1974 und 1975 möglich ist.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger bezog als Teilhaber mehrerer Handelsgesellschaften Einkünfte aus Gewerbebetrieb; die Klägerin bezog Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin ist Eigentümerin eines 1969 errichteten Zweifamilienhauses. Die abschreibungsfähigen Herstellungskosten betrugen 216.588 DM. Seit 1969 macht die Klägerin AfA nach § 7 b EStG geltend.

In den gemeinsamen Einkommensteuer-Erklärungen 1974 und 1975 beantragten die Kläger u.a., bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Hauses die 7b-AfA lediglich in Höhe von 2 % aus 200.000 DM (= 4.000 DM) zu gewähren (vgl. Anlage V E Ziffer 2/75; Tz. 51 Anlage V/76). Das Finanzamt führte die Einkommensteuer-Veranlagung 1974 und 1975 antragsgemäß durch. Nach den Einkommensteuerbescheiden ergab sich für 1974 ein Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 80.342 DM, für 1975 von ./. 121.301 DM. Die Einkommensteuer 1974 und 1975 wurde jeweils auf 0 DM festgesetzt. Die Bescheide sind bestandskräftig.

In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1976 beantragten die Kläger u.a., bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Zweifamilienhauses, die AfA nach § 7 b EStG mit 5 % (= 10.000 DM) zu berücksichtigen. Das Finanzamt ermittelte den abzugsfähigen Verlust aus Vermietung und Verpachtung entsprechend der eingereichten Steuererklärung mit ./. 15.666 DM. Die Einkommensteuer 1976 wurde mit nach § 164 Absatz 2 Abgabenordnung -AO- geändertem Bescheid vom 23. Juli 1981 auf 104.836 DM festgesetzt; der Verlustabzug aus den Jahren 1971 - 1975 betrug 201.643 DM. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben (§ 164 Absatz 3 AO).

Der Einspruch der Kläger, mit dem sie einen höheren Velustabzug wegen nichtausgeschöpfter 7 b-AfA in den Jahren 1974 und 1975 begehrten, blieb ohne Erfolg.

Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben. Diese haben sie im wesentlichen folgendermaßen begründet:

Das Finanzamt habe zu Unrecht die Anderung des Verlustabzugs für das Streitjahr mit der Begründung abgelehnt, daß sie sich in den Vorjahren nicht für die AfA nach § 7 b EStG in Höhe von 5 %, sondern lediglich für die Mindest-AfA nach § 7 Absatz 4 EStG in Höhe von 2 % entschieden hätten. Daß sie sich für die 7 b-AfA entschieden hätten, werde bereits durch die Einkommensteuererklärungen belegt. Unzutreffend sei ferner, daß sie an ihre Wahl in Höhe von 2 % gebunden seien. Vielmehr sei davon auszugehen, daß nicht in Anspruch genommene 7 b-AfA aus den Jahren 1974 und 1975 - d.h. jeweils noch in Höhe von 3 v.H. - bei der Berechnung des Verlustabzugs im Streitjahr noch zu berücksichtigen sei. In den Jahren 1974 und 1975 habe das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nicht materiell festgestellt. Die 7 b-AfA habe wegen der Festsetzung der Einkommensteuer 1974 und 1975 mit 0 DM im Rechtsbehelfsverfahren nicht mehr berichtigt werden können.

Das Finanzamt hat im Laufe des Klageverfahrens den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1976 mit Bescheid vom 08. Juli 1982 gemäß § 10 d EStG in Verbindung mit § 175 Nr. 1 AO ändert. Die Einkommensteuer 1976 wurde auf Grund eines geringeren Verlustabzuges auf 132.768 DM festgesetzt. Die Kläger haben den Antrag nach § 68 Finanzgerichtsordnung -FGO- gestellt.

Die Kläger haben beantragt, die Einkommensteuer 1976 von 132.768 DM um 6.666 DM auf 126.082 DM herabzusetzen, hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt hat die Klageabweisung im wesentlichen folgendermaßen begründet:

Eine Erhöhung des im Streitjahr 1976 abziehbaren Verlustes wegen nicht in voller Höhe ausgeschöpfter 7 b-AfA aus den Veranlagungszeiträumen 1974 und 1975 sei nicht mehr moglich. Die Kläger hätten in den Jahren 1974 und 1975 lediglich die Abschreibung von 2 v.H. nach § 7 Absatz 4 Satz 1 EStG beantragt. Dies ergebe sich aus Anlage V der jeweiligen Einkommensteuererklärung. Die erhöhte AfA nach § 7 b EStG betrage abweichend 5 v.H. Durch den Ansatz der Mindest-Abschreibung von 2 v.H. hätten die Kläger eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie in den Jahren 1974 und 1975 von der 7 b-AfA keinen Gebrauch machen wollten. Da der 8-Jahres-Zeitraum noch nicht abgelaufen gewesen sei, habe die AfA nach § 7 Absatz 4 EStG nicht neben, sondern nur anstelle der erhöhten AfA geltend gemacht werden können. An die einmal getroffene Wahl seien die Kläger gebunden.

Im übrigen sei eine Nachholung der unter Umständen nicht in Anspruch genommenen 7 b-AfA auch nur bis zum Ende des 3. auf das Jahr der Fertigstellung folgenden Jahres möglich (§ 7 b Absatz 5 EStG 1975). Nachdem im Streitfall das Gebäude bereits 1969 fertiggestellt worden sei, sei eine Nachholung letztmals im Jahre 1972 möglich gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Nach Ansicht des Senats erhöht sich der im Streitjahr abziehbare Verlust um die nicht in voller Höhe von den Klägern ausgeschöpfte 7 b-AfA aus den Veranlagungszeiträumen 1974 und 1975.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist über die Höhe des Verlustes, dessen Abzug die Kläger gemäß § 10 d EStGl 1975 geltend machen, nicht bereits im Entstehungsjahr, sondern erst im Abzugsjahr zu entscheiden. Da die Entscheidung über die Höhe des auszugleichenden Verlustes im Entstehungsjahr wie auch über die Höhe des abzuziehenden Verlustes in einem Folgejahr einen unselbständigen Teil eines Steuerbescheides darstellt, liegt in der Überprüfung der Höhe des Verlustabzuges im jeweiligen Veranlagungszeitraum kein unzulässiger Eingriff in die Bestandskraft von Bescheiden früherer Veranlagungszeiträume (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 24. März 1970 I R 38/68, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1970, 540; vom 17. März 1961 VI 67/60 U, BStBl. III 1961, 427; vom 19. Februar 1974 VIII R 118/69, BStBl. II 1974, 336). Das bedeutet, daß die Höhe des Verlustabzugs nach § 10 d EStG 1975 für jeden Veranlagungszeitraum neu zu berechnen ist, da die Bestandskraft früherer Bescheide nur den durch sie festgesetzten Steuerbetrag, nicht aber die Besteuerungs- und Rechnungsgrundlagen erfaßt (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 04. Mai 1977 V 334/74, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1978, 122). Freilich soll nach herrschender Meinung auch eine umfassende Prüfung der Höhe des abziehbaren Verlustes im Abzugsjahr es grundsätzlich nicht rechtfertigen, ein bei früheren bestandskräftigen Veranlagungen bereits ausgeübtes Wahlrecht nochmals auszuüben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Februar 1974 , VIII R 118/69 a.a.O.; vom 18. Dezember 1973 VIII R 101/69, BStBl. II 1974, 319; Herrmann-Heuer-Raupach, EStG und KStG mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Auflage, § 10 d EStG Anmerkung 142 m.w.N.)

2. Im Streitfall haben die Kläger ausweislich der Akten und nach ihren Angaben in den Einkommensteuer-Erklärungen für 1974 und 1975 die 7 b-AfA in Höhe von 2 % aus 200.000 DM (d.h. 4.000 DM) geltend gemacht. Für die AfA nach § 7 Absatz 4 EStG - anstelle der 7 b-AfA - haben sie sich dagegen nicht entschieden. Daß die Kläger im Rahmen der erhöhten AfA nach § 7 b EStG einen AfA-Satz in Höhe von 2 - 5 % wählen konnten, wird auch vom Finanzamt nicht bestritten. Die mit dem Mindest-AfA-Satz von 2 % beantragte erhöhte Absetzung nach § 7 b EStG hat sich in den Veranlagungszeiträumen 1974 und 1975 nicht ausgewirkt, weil die Einkommensteuer bereits auf Grund anderer (gewerblicher) Verluste auf 0 DM festgesetzt wurde. Verfahrensrechtlich sind die Kläger, nachdem die AfA nach § 7 b EStG in den Veranlagungszeiträumen 1974 und 1975 wirkungslos geblieben ist, durch keine besondere Vorschrift gehindert, im Rahmen der erst bei der Veranlagung für 1976 endgültig erfolgenden Festlegung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1974 und 1975 einen höheren als den früher gewählten AfA-Satz geltend zu machen. Die nicht ausgeschöpfte 7 b-AfA aus den Jahren 1974 und 1975 von jeweils 6.000 DM pro Jahr (3 % aus 200.000 DM) erhöht dann den Verlust der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und führt zur Herabsetzung der Einkommensteuer im Streitjahr.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Finanzamts, daß die Kläger durch ihre Anträge in den Einkommensteuer-Erklärungen 1974 und 1975, die § 7 b -AfA mit 2 % - statt mit 5 % - zu gewähren, das in § 7 b EStG eingeräumte Wahlrecht "verbraucht hätten". Der Bundesfinanzhof hat allerdings in seinen Urteilen vom 18. Dezember 1973 VIII R 101/69 (BStBl. II 1974, 319) und vom 19. Februar 1974 VIII R 118/69 (BStBl. II 1974, 336) entschieden, daß es sich bei der Geltendmachung der erhöhten AfA nach § 7 b EStG - im Gegensatz zur Normal-AfA - um ein "gewisses Wahlrecht" handele, das nur bis zur Rechtskraft der Veranlagung ausgeübt werden könne und der Steuerpflichtige an seine Wahl gebunden sei. Diese Rechtsprechung betrifft nach Ansicht des Senats anders gelagerte Sachverhalte - es ging dabei nicht um die erstmals materiell verbindliche Festlegung von Einkünften - und ist auf den Streitfall nicht anzuwenden. Bei der Entscheidung über die Höhe des Verlustabzugs 1976 ist zu berücksichtigen, daß die Kläger mit ihren Anträgen auf Gewährung erhöhter AfA nach § 7 b EStG für 1974 und 1975 insoweit keine abschließende Wahl getroffen haben, als das Finanzamt materiell rechtlich über ihre Anträge nicht entschieden hat. Die Kläger hatten wegen der Festsetzung der Einkommensteuer 1974 und 1975 auf 0 DM mangels Beschwer keine Möglichkeit, die Einkommensteuerbescheide anzufechten und damit eine Änderung des AfA-Satzes von bisher 2 % auf 5 % zu erreichen. Nach Ansicht des Senats ist in einem derartigen Fall das Wahlrecht nicht verbraucht. Die andere Auffassung würde zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung der durch § 7 b EStG begünstigten Steuerpflichtigen führen.

Die Einkommensteuer 1976 ist daher wie von den Klägern beantragt zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Absatz 2 Nr. 1 FGO hat.


Anm.: Das unterlegene Finanzamt hat die vom Finanzgericht zugelassene Revision nicht eingelegt, so daß das Urteil rechtskräftig geworden ist.

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(1113-1-3869)